Sammlungsschwerpunkte
Die Stiftung Sammlung Kamm verfügt über mehrere Sammlungsschwerpunkte und befindet sich als Depositum im Kunsthaus Zug.
- Wiener Moderne
- Expressionismus
- Kubismus
- Bauhaus
- 20./21. Jahrhundert
Die Stiftung Sammlung Kamm besitzt eine einzigartige Kollektion von Werkgruppen der Wiener Moderne. Ausserhalb Österreichs ist eine solche Fokussierung auf die Wiener Welt in Europa singulär. Dies gilt auch für die zehnteilige Werkgruppe von Richard Gerstl, ein Höhepunkt der Stiftung Sammlung Kamm. Die Landschaftsmalereien von Gustav Klimt und Egon Schiele können, neben den vielseitigen Papierarbeiten der beiden Künstler, als weiterer Markstein der Stiftung Sammlung Kamm bezeichnet werden.
Die Wiener Werkstätte lässt die Verbindung von angewandter und bildender Kunst facettenreich anklingen. Josef Hoffmann und Koloman Moser sind prominent in der Sammlung vertreten. Mosers Beitrag reicht dabei von Möbeln über Silberdosen bis hin zu Zeichnungen. Bei Hoffmann sind dies Entwurfszeichnungen (aus seinem Nachlass) für Textilien, Flächenmuster, Arbeiten aus Glas und Architekturprojekte bis hin zu ausgeführten Möbeln, Vasen und Schalen aus Messing.
Ausgehend vom Wiener Nährboden um 1900 zeichnet die Stiftung Sammlung Kamm neben dem bekannten Fokus auf die Wiener Moderne und die Wiener Werkstätte die Wechselwirkungen zwischen dem Wien der Jahrhundertwende und der Moderne des 20. Jahrhunderts nach. Fritz Wotrubas künstlerischer Werdegang wird dabei ebenso widergespiegelt wie der Versuch, nach dem Zweiten Weltkrieg die jäh unterbrochene Entwicklungslinie der Moderne wiederaufzunehmen. Das Sammlungskonzept der Stiftung Sammlung Kamm ist bis zu Wotrubas Tod (1975) eng mit ihm verknüpft und weist den Weg bis in die heutige Zeit. Kaleidoskopisch präsentiert die Stiftung Sammlung Kamm die wichtigsten Avantgardebewegungen des 20. Jahrhunderts und zeigt den regen künstlerischen Austausch in Europa auf.
Eine frühe Pionierrolle innerhalb dieser Verbindungslinien nimmt Henri de Toulouse-Lautrec mit der elfteiligen Mappe Elles (1896) ein. Der französische Künstler setzt sich in der Mappe mit dem Bordell und den Prostituierten auseinander, die er bei ihrer alltäglichen Routine beobachtet. Klimts Zeichnungen ab 1900 lassen die künstlerische Verwandtschaft zum französischen Zeitgenossen deutlich erkennen. Die Zeichnungen von Egon Schiele zeigen, wie sich der Künstler vor allem auf die Konturen seiner Figuren und Motive konzentriert; die Auswahl des Bildhauers Wotruba ist hier spürbar. Fritz Wotruba, dessen frühe Jahre als Bildhauer noch stark von den Grossen der Wiener Moderne (Klimt, Schiele, Kokoschka) geprägt waren, zeichnet damit seine persönliche Entwicklungslinie nach und gleichzeitig ein Sittenbild der Zeit nach der Jahrhundertwende.
Zur Wiener Moderne sind jedoch nicht nur die bildenden Künste zu zählen. Die Blüte des kulturellen Lebens reichte von der Musik über die Kunst und Philosophie bis hin zu den Geistes- und Naturwissenschaften, der Mathematik, den Rechts- und Wirtschaftswissenschaften und der Medizin. Die Wechselwirkungen und persönlichen Kontakte zwischen den verschiedenen Disziplinen können an der Person Arnold Schönberg exemplarisch aufgezeigt werden. Der Komponist und Musiktheoretiker Schönberg erscheint in Richard Gerstls Werk Gruppenbild mit Schönberg (1908). Gerstl verband mit dem Musiker eine künstlerische Freundschaft, mit Schönbergs Frau Mathilde eine kurze und heftige Affäre, die mit der Rückkehr Mathildes zu ihrem Mann endete. Und er taucht ein zweites Mal in der Sammlung im Zusammenhang mit Wotruba auf. Dieser wurde damit beauftragt, das Ehrengrab Schönbergs auf dem Wiener Zentralfriedhof zu gestalten. Ein kleinformatiger bronzener Entwurf zum Grabmal zeugt von der Entstehungsgeschichte.
Mit Franz Marc, Ernst Ludwig Kirchner und August Macke verfügt die Sammlung über wichtige Vertreter des deutschen Expressionismus. Dem österreichischen Maler, Grafiker und Schriftsteller Oskar Kokoschka kommt dabei eine besondere Rolle zu. Sein Werk, das zwischen Wiener Moderne und Expressionismus anzusiedeln ist, schlägt die Brücke zwischen diesen künstlerischen Bewegungen. Exponenten des französischen Kubismus sind mit Jacques Villon (Gaston Duchamp), Albert Gleizes, Juan Gris und Fernand Léger vertreten. Surrealistische Anklänge liefern hingegen Max Ernst und Pablo Picasso.
Eine sechsteilige Werkgruppe von Oskar Schlemmer setzt die Bezugspunkte zu Wien fort. Mit Schlemmer, Formmeister und zuständig für die Abteilung Wandmalerei am Bauhaus, steht die Verbindung zur Wiener Werkstätte erneut im Zentrum. Mit dem österreichisch-amerikanischen Universalkünstler Frederick Kiesler rückt ein Künstler in den Blickpunkt, den es noch zu entdecken gibt. Kiesler wuchs in Wien um 1900 auf und war mit vielen in der Stiftung Sammlung Kamm vertretenen Künstlern bekannt. Sein Werk, das sich nicht auf ein Material oder Medium beschränkt, spiegelt den spartenübergreifenden Charakter der Wiener Wurzeln. Er pflegte auch nach seiner Emigration 1926 in die USA einen regen Austausch zwischen der Alten und der Neuen Welt.
Einen weiteren Höhepunkt der Sammlung bildet die umfassende Werkgruppe von Fritz Wotruba selbst. Sie deckt eine über 40 Jahre dauernde Schaffensperiode ab und vereint Papierarbeiten mit Skulpturen in den unterschiedlichsten Materialien.
Die künstlerische Vernetzung der Sammlungsschwerpunkte reicht mittlerweile bis in die Gegenwart. Hier ist beispielsweise Arnulf Rainer zu nennen; er stellte bereits 1954 in der von Fritz Wotruba geführten Galerie Würthle aus. Bethan Huws bezieht sich in ihrer Arbeit The Large Glass (2013) auf einen Glaspokal von Josef Hoffmann, dem Mitbegründer der Wiener Werkstätte. Die zeitgenössischen Skulpturen des Österreichers Michael Kienzer wiederum schlagen den Bogen zu Fritz Wotruba und damit zum Ausgangspunkt der Sammlung.